Review of A Static Place [12k1064]

Jahrgangsgerausche (DE)

Vor uns liegt ein weites Land mit großen Texturen, mit sehr großen Texturen. Irgendwann, wenn wir alles Irdische hinter uns gelassen haben, spielen Namen keine Rolle mehr. Überhaupt wird das Dingliche ganz neu bewertet. Es wird in den alten Regalen weiter hinten abgelegt. Dafür dringt immer mehr Licht durch alle Windungen. Auch unsere Gedankenwelt scheint nachhaltig gelüftet. Die Gedanken wenden sich neuen Richtungen zu. Oder nein: das Neue ist, dass sie nun richtungslos dahin driften, in diesem weiten Land mit den großen Texturen.

Titel wie „Schwarzschild Radius“ deuten metaphorisch das Überschreiten von Grenzen an. Grenzen, hinter denen das Ungewisse liegt, über das wir nur Mutmaßungen anstellen können. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht esoterisch, ist es aber ganz und gar nicht. Denn hinter den Grenzen sitzt die Dynamik schon aus physikalischen Gründen in der Falle. Hinter dem Ereignishorizont, den wir zuvor selbst definierten, spielt die Dynamik überhaupt keine Rolle mehr. Sie ist eingeschlossen im Eigengewicht ästhetischer Texturen. Glattpoliert glühen sie in bescheidenem Glanz. Sie sind so gut wie unangreifbar. Sie sind lang und breit und ziemlich gleichförmig. Es fällt schwer sie zu beschreiben.

Das Universum des aus Saarbrücken stammenden Klangkünstlers Stephan Mathieu, der auch schon mit Taylor Deupree, Akira Rabelais und Ekkehard Ehlers zusammen arbeitete, ist geprägt von Konzepten aufwendiger Klangverarbeitungsprozesse. Für „A Static Place“ bestand sein Rohmaterial aus alten 78er-Schellackplatten mit Aufnahmen von Gotik- Renaissance- und Barokmusik. Diese frühen Aufnahmen, auf ebenso betagten Grammophonen abgespielt, wurden in der Folge von Mathieu einem komplexen Verarbeitungsprozess unterworfen, der ebenso aus mechanischen Phasen (Abtastung der Platten mit Kaktusnadel), wie auch aus digitalen Elementen (Spectral-Analyse / Convolution Process) bestand.

Wir befinden uns also stehend, fliegend oder liegend in sich leicht verändernden Klangflächen, deren Größe und Geschliffenheit uns sprachlos macht. „A Static Place“, das wird sehr klar, ist nicht irgend ein weiteres Ambientalbum. Es ist groß. Vielleicht erklärt uns demnächst das Vermächtnis eines Stanislaw Lem, warum darin eine neue Sprache verborgen ist, zu der wir nur noch den Schlüssel finden müssen. Wir sollten zuhören – for a very long time.

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