Review of Disappearance [12k1076]

Eclat (DE)

Man nehme ein Klavier – und wo notwendig Materialien, um es zu präparieren –, die Gegenstände im Aufnahmeraum, Synthesizer, Streicher und andere gefundene Dinge. Dies ist alles, was Ryuichi Sakamoto und Taylor Deupree für ihr erstes gemeinsames Album “Disappearance” benötigen.

Aus diesen Zutaten ließe sich im Sinne Hauschkas, Aufgangs oder anderer ein tanzbares Album schaffen, das die Perkussivität des Pianos betont. Es könnte ein björk’eskes Werk entstehen, das zwischen Experiment, Pop und Manierismus changiert. Sakamoto und Deupree wählen aber noch ein weiteres Mittel für die fünf Stücke des Albums: Stille.

Somit wird “Disappearance” zu einem impressionistischen Werk, dessen reduzierte, zarte, getupfte Klanglandschaften als lautmalerischer Ambient funktionieren. Wie schon bei Sakamotos jüngster Kooperation mit Alva Noto – aber nicht nur da – steht hier die Auslassung mit im Mittelpunkt. Klavier, Synth und “Objekte” erzeugen vereinzelte Geräusche, die sich zwar zu Gesamtbildern ergänzen, die aber doch insbesondere das Nicht-Dasein von etwas betonen.

Wie üblich bei Musik dieser Art, verlangt der Konsum von “Disappearance” eine Aufmerksamkeit des Hörers, die fast an Arbeit heranreicht – und vermutlich ziemlich gute Kopfhörer/Boxen. Die Kleinteiligkeit der Arrangements, die Möglichkeit, in jedem Klavieranschlag, im Knarzen eines Stuhls zu verweilen und dennoch die Gesamtheit eines Stücks genießen zu können, entlohnt jedoch. Am meisten beeindruckt hier sicherlich das abschließende “Curl To Me”, in dem Ichiko Aobas Stimme und Herzschlag Deuprees und Sakamotos Klangentwürfe verfeinern und intensivieren. Ambiente Soundscapes, klar aufsteigende Melodielinien, vereinzelte Klavieranschläge und ebensolcher Stimmeinsatz liegen über dem monotonen Rhythmus des Herzschlags und verleihen dem Stück eine bezaubernde organische Intensität.

Sakamoto und Deupree liefern mit “Disappearance” epische Inszenierungen der Stille und Reduktion. Das ist keine Musik, die man nebenbei hört. Es ist aber Musik, in der man sich verlieren kann.

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