Review of Orwell Court [12k2035]

Amusio (DE)

SCHRECKEN DER UNMITTELBARKEIT

Wetten, dass…?! Spätestens mit seinem vierten Album Orwell Court (Discolexique/12k/Godbrain) der aus Glasgow stammende Singer/Songwriter Gareth Dickson auch hierzulande Kreise ziehen wird? Man darf dagegen halten. Im Oktober für gerade einmal vier Auftritte in intimen Rahmen bei uns zu Gast, ist es angesichts der Begeisterung, die etwa ein Sufjan Stevens oder ein William Fitzsimmons auf nationaler Ebene auszulösen imstande sind, eine kleine Schande, dass Gareth Dickson bis dato ein vollkommener Geheimtipp geblieben ist.

Eine kleine Ursachenforschung, basierend auf Vermutungen, die über mangelnde Vermarktung hinausgehen: Sein von sprudelnden Arpeggios dominiertes Gitarrenspiel, das entfernt an die „continuous music“ des Lubomyr Melnyk gemahnt, sowie sein seine eigenartig verhauchte Intonation erschaffen übersinnliche, mysteriöse bis mystische Stimmungen ohne Anlaufzeit. Mit ihnen versendet Gareth Dickson Grüße aus der Anderswelt, die so manch Zeitgenossen vielleicht einen Tick zu beunruhigend oder beängstigend erscheinen mögen.

Das Zusammengehen von Tradition (Nick Drake) und Moderne (Ambient im Sinne von Brian Eno), welches sich bei dem Schotten rückstandsfrei ereignet, mag den Nerv eines bevorzugt auf Eindeutigkeit versierten Publikums verfehlen. Dabei handelt es sich – ganz ohne werbliche Übertreibung – um eine Musik, die nicht nur empfunden wurde, um sie zu transponieren. Vielmehr erzeugt Gareth Dickson eine Unmittelbarkeit, die wiederum erschrecken könnte, wäre sie zugleich nicht so aufrichtig beseelt und – bei aller Vernebelungstaktik – so klar formuliert, wie jener Bergbach, den seine Gitarre nachzuempfinden scheint.

Orwell Court endet mit einem Cover von Joy Divisions Atmosphere. Möglicherweise ist dies ein (unfreiwilliger?) Hinweis auf eine noch zu erschließende Zielgruppe. Dass es Gareth Dickson dabei gelingt, den emblematischen Song im Kern zu wahren und ihn dennoch – atmosphärisch – gegen den Strich zu bürsten, ihn mit einer verzweifelten Euphorie auszustatten, wie sie dieser Tage vielleicht nur noch Mikko Joensuu hinbekommt, spricht einzig und allein für die außergewöhnliche Güte eines Musikers, auf den dieses Prädikat tatsächlich noch zutrifft.

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